Schicksalsspiel

"Das ist schlecht", seufzte Livedin. "Mich würden sie möglicherweise erkennen."
Er kramte in seiner Umhängetasche und holte ein dickes, fettes, garstiges Buch heraus, aus dem lose Seiten quollen.
"Ich such mal eben nach einem passenden zauber. Einen Moment bittesehr."

Lucia betrachtete ihn verwirrt.
"Braucht Ihr einen Zauberspruch aus dem Buch, um Eure Gestalt zu verändern?" Sie warf den Soldaten einen Blick zu. Fordernd wirkten sie.
"Vielleicht sollten wir einen Hinterausgang suchen."

"Nein nein. Um meine Gestalt zu verändern reicht ein Fingerschnippen. Aber es ist besser, wenn wir alle nicht gesehen werden", lächelte er und vertiefte sich dann in das Buch. er mochte das Buch. es war sein Buch! Oade hatte es nur für ihn geschrieben. Hach ...
"Meint ihr, ihr schafftes mit mir zusammen Raz'mal'dun zu sagen?"

Elin sah sich flüchtig um. Sie wusste nicht, ob es nicht doch besser war zu fliehen, aber jetzt war es wahrscheinlich zu spät. Als Livedin sein Buch auspackte, machte sie das nur noch nervöser. Sie hatte keine Ahnung von Magie.
"Ich könnte es versuchen", murmelte Elin und hoffte, dass das auch funktionierte.

Lucia legte die Stirn in Falten.
"Ist das alles?", fragte sie. "Müssen wir einfach nur diese Worte sagen?"

"Natürlich müssen wir es gleichzeitig sagen ... nachdem ich alle Floskeln aufgezählt habe."
Da er einfach mal davon ausging, dass sie es hinkriegen würden, begann er die magischen Worte zu sprechen und als es dann soweit war, deutete er mit den Fingern 1-2-3 an, ehe er die Worte sprach.

"Raz'mal'dun", murmelte Elin und hoffte, dass sie sich nicht verhaspelt hatte.

"Raz'mal'dun", murmelte auch Lucia. Einige Schweißtropfen perlten ihr von der Stirn. Ob das funktionieren würde?

Es funktionierte. Sie waren alle drei auf einmal unsichtbar.
Sie sahen auch sich selbst nicht mehr und bald spürte Lucia tastetende Hände an ihr.
"Gib mir deine Hand", wisperte Livedin.

Verwirrt sah Elin hin und her. Wie funktionierte das? Das war ihr eindeutig zu hoch.
"Können andere uns hören?", flüsterte sie leise-

Lucia schreckte leicht auf, als sie auf einmal ihre Hände nicht mehr sehen konnte. Als sie dann auch noch eine unsichtbare Hand berührte, zuckte sie leicht zusammen.
Als sie die Stimmen von Livedin und Elin in der Luft hörte, beruhigte sie sich etwas. Sie bewegte ihre Hand zu der Stelle, an der Livedin sie berührt hatte.

Livedin fand ihre Hand.
"Gut. Die andern können uns noch hören aber uns nicht mehr sehen."

"Okay", murmelte Elin und versuchte so leise zu atmen wie möglich.
Irgendwie kam ihr das doch komisch vor und sie hatte das Gefühl, dass ihr Herz so laut klopfte, dass es einfach jeder hören musste.

Lucia blickte unruhig zu den Soldaten, der Priester hatte zunehmend Mühe, sie von der Tür fernzuhalten.
"In Ordnung, Ihr geht voran", wisperte sie Livedin zu und hielt die Luft an.

"Wo seid ihr denn?", fragte Elin in diesem Moment leicht panisch, da Lucia und Livedin wohl irgendetwas geplant hatten, das sie nicht mitbekommen hatte, weil sie sie nicht sehen konnte.

"Gib mir die Hand", wies Livedin auch sie an und tastete ungefähr in die Richtung, wo sie vorhin noch gestanden hatte.

Sofort streckte Elin ihre Hand aus und bekam Livedin irgendwann zu fassen. Obwohl es ihr schon irgendwie komisch vor kam, mit einem Gott Händchen zu halten.

Er hielt sie gut fest und zog die beiden Damen dann zur Tür, wo sie sich an die Wand pressten. Irgendwann verschafften sich die Männer einfach Zutritt und gingen an ihnen vorbei. Sofort zog Livedin die zwei weiter.

Lucias herz setzte einen Moment aus, als die Wachen an ihnen vorbeigingen, ohne irgendetwas zu merken. Beinahe noch befremdlicher fand sie die Gelassenheit, mit der Livedin all das hinnahm.
Als er sie hinaus auf den Platz führte, fragte sie:
"Wie lange hält der Zauber eigentlich an?"

Elin stolperte Livedin einfach hinter her und versuchte, dabei keine lauten Geräusche von sich zu geben oder jemanden anzurempeln.
Aber Lucias Frage interessierte sie auch.

"Das ist eine gute Frage", meinte Livedin. "Möglicherweise muss ich den Zauber sogar eigenhändig aufheben."

"Na toll."
Elin seufzte. Der Gott kannte sich ja super aus. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? Aber wenn sie dadurch die Herrschaft der Engel brechen konnten, musste sie da durch.

"Aber das wird schon klappen. Am besten wir suchen uns erst einmal einen ruhigen Ort."
Er lächelte, was die andern nur blöderweise nicht sehen konnten.
"Glaubt ihr eigentlich noch an uns Götter?"

"Ähm, naja also..."
Lucia war froh darüber, dass niemand sehen konnte, wie sie betreten zu Boden sah.
"Ich komme von weit oben aus dem Strahlengebirge. Wir pflegten stets eine recht enge Beziehung zu der Natur um uns herum, die wir gelegentlich als göttlich betrachteten. Ab und zu haben wir auch geopfert, aber im großen und ganzen hat so etwas nie eine wichtige Rolle in unserem Leben gespielt. Ich...hoffe Ihr seid nicht beleidigt."

"Ach ... es wäre nur schön, wenn wieder mehr Leute an uns glauben würden. Gebete stärken uns ... weisst du?"
Er seufzte bekümmert.