Eine unerwartete Reise

Es war wohl gut, dass Leaf ihren Kommentar nicht gehört hatte. Denn es war offensichtlich, dass seine Meinung über Garonne unumkehrbar war.
"Aber na ja. Ich hoffe wirklich, es geht ihm und den anderen gut.. andererseits.. es wäre ungerecht, ihm überhaupt etwas anderes zuzutrauen. Wenn jemand mit diesen Steinriesen fertig wird, dann der Hauptmann!"
Er nickte. Ja, mit dieser Annahme konnte er leben. Der Hauptmann liess sich nicht so schnell unterkriegen. Es würde alles gut werden.

Nathanael nickte bekräftigend, ahmte nochmal Garcias Gesichtsausdruck nach und hob dabei seinen Arm als wolle er mit den Muskeln spielen.
Shia schmunzelte. Es war vielleicht besser, wenn der Kerl sich nicht zu viele Sorgen machen würde.

"Wie auch immer. Es wäre wohl das Beste, wenn Ihr euch ein wenig hinlegt, Bruder Nathanael. Es wird noch eine lange reise bis zu unserem Ziel und je weiter wir kommen, desto ungemütlicher werden wohl die Nächte sein", sagte Leaf und blickte jedoch schon wieder relativ besorgt drein, diesmal in Richtung Norden.

Nathanael folgte seinem Blick und nickte schließlich. Er hielt die Hand vor den Mund, während er vernehmlich gähnte.
Er schwang sich vom Stein und nickte Leaf zum Abschied nochmal zu, bevor er sich auf den Weg zurück zum Lagerfeuer machte.
"Scheint ja ganz nett zu sein, der Kerl", meinte Shia. "Aber der scheint das mit dem Hauptmann ernst zu meinen. Ist der echt so toll? Ich weiß ja nicht..."
Nathanael zuckte einfach mit den Schultern, nahm eine Decke von ihren Vorräten und rollte sich zusammen.
"Gute Nacht", wünschte Shia ihm und kuschelte sich tiefer in den Schal.

Während Leaf noch weiter auf seinem Wacheplatz blieb, schlief Ferik schon lange und völlig desinteressiert an dem Tun der beiden. Er schien nicht einmal eine Decke zu brauchen, um gut und tief schlafen zu können. War ja auch schönes Wetter heute und nicht ganz so kalt, wie man es beim Wort 'Norden' schon hätte denken können.

Nathanael schielte noch einmal kurz zu Ferik rüber, bevor er die Augen schloss und nach kurzer Zeit schließlich auch einschlief.

In der Nacht hatte er wieder den Traum . Den von der Frau im Regen und dem Kloster. Unruhig wälzte er sich hin und her, als sie ihn vor den Mauern des Gebäudes ablegte. Als sie sich entfernte riss er erschrocken die Augen auf.
Unruhig blickte er sich um und stellte fest, dass es nicht regnete. Sie waren immer noch an der Stelle, an der sie sich gestern schlafen gelegt hatten.
"Morgen, Schlafmütze", begrüßte ihn Shia mit aufmunterndem Lächeln und er blickte entschuldigend drein. Seine Gedanken mussten sie im Schlaf erreich haben.
"Ist schon gut", redet sie beruhigend auf ihn ein. "Es war nur ein Traum."

Es ging dann auch gar nicht mehr lange, ehe die zwei in die raue Realität gerissen wurden, denn auf einmal fluchte Ferik laut herum.
"Es ist alles weg! Einfach weg!", fluchte er.
Leaf versuchte, ihn zu beruhigen, doch es hatte nicht viel Sinn.

Nathanael blickte überrascht zu seinem Begleiter auf.
"So'n Theater schon am Morgen", brummte Shia, während ihr Freund zu den beiden Männern schritt und sie fragend anblickte.

"Guten Morgen, Bruder Nathanael", grüsste Leaf, der auch nicht sonderlich begeistert ab Feriks Gefluche wirkte.
"Das ganze Geld ist weg!", knirschte er gerade und durchsuchte einmal mehr all ihren Proviant sowie auch seine eigenen Taschen.
"in dieser Einöde wird es sowieso unwahrscheinlich sein, dass wir irgendwelches Münz benötigen", seufzte Leaf, woraufhin Ferik wie fuchsteufelswild zu ihm herumfuhr.
"Natürlich ist mir auch klar, dass ich hier kein Geld benötige! Aber- seht doch, es wird wohl kaum so sein, dass der Beutel von selbst davongelaufen ist und was hat das für eine zwangsläufige Folge?!"

Nathanael nickte Leaf lächelnd zu. Als er jedoch von dem Diebstahl hörte, begann er panisch in seiner eigenen Tasche zu wühlen.
Doch es war noch alles da. Er hatte jedoch auch kein Geld, sondern nur Kräuter und Pulver dabeigehabt. Außerdem trug er seinen Beutel immer am Körper, da war es schwierig etwas zu stehlen, ohne dass er es merkte.
Er ließ von seiner Inspektion ab und schüttelte in Richtung der anderen beiden den Kopf.
"Wer könnte denn hier etwas stehlen?", wunderte sich Shia.

"Das kann nicht sein", sagte Leaf jedoch. "Es war doch immer jemand von uns auf Wache. Ich hätte gesehen, wenn sich uns etwas genähert hätte."
"Also ich hab aufgepasst! Zumindest.. die meiste Zeit", murmelte Ferik daraufhin.
Aber auch wenn er ein wenig weggedöst wäre.. das hätte er doch gemerkt, wenn etwas sich ihm genährt hätte!

Nathanael zog leicht eine Braue hoch.
"Wunder mich, wann das war", überlegte Shia. "Wenn die noch nicht so weit weg waren, dann könnte ich sie mit meinen Sporen vielleicht finden."
Der Junge fuhr sich übers Kinn. Dann deutete er auf einen nahegelegenen großen Felsen und deutete mit seinen Händen ein Fernrohr an.

beide Männer folgten gleich mit ihrem Blick Nathanaels ausgestrecktem Arm. Konnte ja sein, dass dieser etwas Wichtiges oder gar Gefährliches gesehen hatte. Er deutete aber nur auf einen Felsen. Während Ferik damit gar nicht zufrieden wirkte, nickte Leaf unmerklich und trat dann zu dem Felsen, um diesen zu erklimmen und sich so eine besser Sicht über die Landschaft zu verschaffen. Sie hatten zwar leider kein Fernrohr oder ähnliches, aber dennoch, er hatte wenigstens gute Augen und es war besser als nichts.

Nathanael folgte dem Bogenschützen, auch wenn ihm das Erklimmen des Felsens ungleich schwerer fiel. Als sie sie fast zu Leaf aufgeschlossen hatten, schlüpfte Shia aus Naths Schal heraus. Dann flog sie einige Meter in die Luft schloss die Augen und schlug kurz darauf heftig mit den Flügeln.
Mit bloßem Auge war nicht zu erkennen, was sie getan hatte, doch Nathanael wusste es genau. Ihre Sporen verteilten sich nun langsam über die Landschaft. Und würden mit etwas Glück die Diebe erreichen.
Sie schlüpfte wieder in den Schal zurück und der Junge schloss zu Leaf auf.

Leaf bemerkte und sah auch nichts von den Sporen, er war damit beschäftigt, die Landschaft ganz kritisch mit seinem Blick abzusuchen. Aber er konnte zumindest im Moment nicht viel verdächtiges erkennen. Es hatte einige Tiere, die hier und da grasten oder vorbeihuschsten, aber sonst.. na ja, aber so einfach war das auch nicht zu sagen, denn immer mal wieder wurde die Landschaft von kleinen Felsformationen unterbrochen, hinter die man halt nicht sehen konnte und es tat sich auch bald einmal vorne, nach der Steppe ein dichter Tannenwald auf.
"Es sieht nicht so aus, als befände ich hier noch jemand.."

Auch Nathanael konnte nichts erkennen. Er blickte sich vorsichtig um, sah jedoch weit und breit nur Steppe, vereinzelte Felsen und den nahen Wald.
Er wollte gerade aufgeben, als Shia seinen Geist berührte.
"Nath", murmelte sie. "Ich glaub, ich hab was. Beim Wald."
Er blickte überrascht in Richtung des Waldes und runzelte die Stirn. Dann zupfte er Leaf leicht am Ärmel und zeigte dann in Richtung der Bäume.

Leaf blickte zu Nathanael und dann zu dem Wald.
Konnte es sein, dass da tatsächlich etwas-?
Er kam nicht dazu, es sich genau anzuschauen, denn einmal mehr unterbrach Ferik die Truppe mit lautem Fluchen und Gezetter. Diesmal war das Problem, dass er bei seiner Suche nach seinem Geldbeutel mit dem Fuss in ein Erdloch gerutscht war und nun feststeckte.

Nathanael fuhr leicht erschrocken herum, seufzte jedoch erleichtert auf, als er erkannte, dass er Ferik war, der so einen Lärm veranstaltete.
"Der pfeift mal wieder aus dem letzten Loch", näselte Shia, während Nathanael herunterkletterte und dem Halsabschneider die Hand reichte.

Während Leaf die Situation nur stirnrunzelnd betrachtete, fluchte Ferik weiter herum, ergriff dann aber tatsächlich Naths Hand, als der sie ihm reichte.
"Ich glaube das nicht! Blöde, überdimensionale Mistmäu-.. Ihh! Ich kann das Vieh spüren, es knabbert mir den Schuh an! Verflucht seist du Monster bei den Brüsten aller Göttinnen!"

"Nath, stopf die irgendwas in die Ohren! Und vergiss am besten gleich, was er gesagt hat!", raunzte Shia ihm hastig zu. Nathanael, dem die Bemerkung eine leichte Schamesröte ins Gesicht getrieben hatte, nickte heftig, stämmte sich mit den Füßen gegen den Boden und zog heftig an dem Banditen.
Schweißperlen tropften ihm von der Stirn und er glaubte bereits, er schaffe es nicht, als sich dann schließlich nach und nach der Fuß aus dem Loch löste und Ferik dann mit einem heftigen Schwung auf den Jungen drauffiel.

Leaf hätte ihnen ja schon irgenwie geholfen, aber irgendwie.. hm.. es war auch ganz witzig, zuzusehen. Erst recht, wenn es dieser Wegener war, der ein Problem hatte.
Ferik ächzte, als er unsanft auf Nathanael landete. Dann hatte er sich jedoch schon auch aufgesetzt und seinen Fuss vor dem Gesicht, um den Stiefel zu betrachten, der tatsächlich.. angeknabbert aussah.
"Das gibt es ja nicht! Ich schlitz das Vieh auf und schenk es meinem Sohn zum Geburtstag!", knurrte er dann und hatte wirklich trotz der soeben gemachten Erfahrung nichts besser zu tun, als sich vor dem Loch auf den Bauch zu werfen und seinen Arm tief in das Loch zu stecken, um nach dem darin hausenden Tier zu grabschen. Jedoch hatte dieses sich schon längstens auf Sicherheitsabstand begeben und die unterirdischen Tunnel waren zu lang, dass Ferik mit seinem Arm überhaupt in die Nähe von ihm gekommen wär.

"Wart's ab, gleich bleibt er mit dem Arm auch noch da drin stecken", raunzte Shia ihm zu. Nathanael schmunzelte, doch seinem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass er eine ähnliche Vermutung hegte.
"Seine Käsefüße musst du aber nicht anfassen. Ich würd gern sehen, wie er noch ein bisschen zappelt."

Ferik vermutete seinerseits schon, dass die vorlaute Käferfee mal wieder nichts besseres zu tun hatte, als blöd zu quatschen, auch, weil Nathanael auf einmal so eine Grimasse zog. Dennoch wühlte er weiter in dem tiefen Loch herum, tastete in dem doch relativ breiten Tunnel herum, aber irgendwann sah auch er ein, dass da nichts gross zu holen war.
Anders als die beiden erwarteten, schaffte er es diesmal auch alleine, sich wieder aus dem Loch zu befreien. Das Loch war durch den Vorfall mit dem Fuss glücklicherweise schon ein wenig aufgeweitet gewesen.
Auch wenn es zuerst so aussah, als wäre sein Unternehmen erfolglos gewesen, so war Ferik denn noch immer in unglaublicher Aufruhr.
"Da! Seht euch das an!", schnaubte er nähmlich und hielt ihnen etwas kleines mit seiner verschmutzten Hand entgegen. Es war zwar unter dem ganzen Dreck kaum erkennbar, aber hier und da schimmerte noch leicht das matte Goldgelb einer Münze hervor.

Nathanael kniff die Augen zusammen, um Feriks Ausbeute näher zu betrachten, blinzelte jedoch überrascht auf, als er erkannt, um was es sich handelte.
"Meint ihr etwa", wunderte sich Shia zögerlich, "diese Mäuse haben das Gold geklaut?"

"Ich wusste schon immer, diesen dreckigen Gossentieren kann man nicht trauen!", knurrte Ferik, putzte das Goldstück dann an seinem Mantel sauber und steckte es ein.
"Tauchen mitten in der Nacht auf und nehmen das ganze Gold mit sich!"
"Und.. Ihr seid Euch sicher, dass es Euch nicht versehentlich in eines der Löcher gefallen ist, Herr Wegener?", fragte Leaf nun doch relativ skeptisch von seinem erhöhten Platz aus.
"Oh, bitte! Ich weiss, wie man auf seine Sachen aufpassen muss", schnaufte Ferik.