Schicksalsspiel

"Zirkon Molybdän Tantal", stellte er sich vor und deutete mit der Hand und dem Kopf eine knappe Verbeugung an. 
"Aber für die sich krank stellenden Märchenerzählerinnen reicht Herr Zirkon. Und ja, es gibt schon die eine oder andere spezielle Gestalt hier. Wie sagt man halt so? Jedem sein Zeitvertreib?"

Diese Gestalt hatte nicht nur ein merkwürdiges Auftreten, sondern offenbar auch einen merkwürdigen Namen. Lucia entschied sich, erste inmal darüber hinwegzusehen.
"Mein Name ist Lucia", stellte sie sich vor. "Und dies ist Elin. Sagt Herr...Zirkon, ich schätze es ist einiges an Geschick erforderlich, magische Kreaturen zu unterhalten, oder?"
Sie überlegte sich einen Moment, wie sie die Frage so formulieren konnte, dass es nicht zu offensichtlich wirkte.
"Sagt, welchen Magier würdet Ihr als am...Ungewöhnlichsten betrachten. In Bezug auf der Wahl seines...Haustiers?"

Zirkon lachte auf. 
"Ach so ist das also, hm? Die Damen wollen ihren Charme und die kleinen Lügen dazu benutzen, gleich einen der Obersten zu bezirzen, hm? Nun, gerade nach der Flucht des Basilisken bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob es wirklich Geschick benötigt, eine solche Kreatur zu halten, oder auch einfach nur genügend Geld und richtige Beziehungen. Aber, wenn Ihr mich so fragt.."
Er überlegte einige Momente und starrte dabei gedankenverloren ihr Dekolleté an. 
"Meister Malifantinus besitzt ein Geschöpf, das angeblich eine Kreuzung zwischen einer Languste und einer Katze ist und deren.. bestimmte Flüssigkeiten als goldene Tinte verwendet werden können. Das ist schon ziemlich ungewöhnlich. Obwohl das kleingeschrumpfte, bunte Kelpie im Wasserglas von Meister Burgondino auch etwas für sich hat.. Auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass die Farbe ein fauler Zauber ist, ich habe auch schon oft Dinge bunt verfärbt, das ist unglaublich einfach. Für mich natürlich sowieso. Aber es ist niedlich, wie das Wasserpferdchen einem den Zeigefinger ersäufen will, wenn man ihn ins Glas streckt."

Elin hielt sich erstmal aus dem Gespräch raus. Dieser Typ war echt unmöglich, aber was sollte man machen. Obwohl so ein Fabelwesen schon sehr hilfreich wäre. Vielleicht konnten sie eins stehlen.

Lucia folgte den Schilderungen des Mannes mit gerunzelter Stirn. Irgendwie bekam sie nicht wirklich den Eindruck, dass diese Person ihnen helfen konnte. Zumal ihr nicht wirklich behagte, wie er sie ansah.
"Überaus...interessant." Geistesabwesend blätterte sie eine weitere Seite in einem der Bücher um. "Ob der Erzmagier auch einige interessante Haustiere hat? Ich hörte, er hat seine Stellung schon seit über dreißig Jahren inne." Nervös fuhr sie sich durch das Haar. "Er muss sehr...mächtig sein. Ich meine...wenn nicht einmal die Engel gewagt haben, ihn seines Amtes zu entheben?"

"Oh. Das liegt vor allem daran, dass sie gut mit den Engeln kooperieren können, seit sie genügend Verträge und Bündnisse geschlossen haben. Ich würde es als eine Art Symbiose bezeichnen, in der man sich gegenseitig einfach Leben lässt", erklärte Zirkon. "Aber er ist schon sehr mächtig, das stimmt."

Es war nicht unbedingt Livedins Stärke pünktlich zu sein. Und schon gar nicht, früh aufzustehen. So war es gar nicht verwunderlich, als er erst aufstand, als sein Magen knurrte.
Er erhob sich und gähnend trat er dann malnach draussen auf die Gänge, um sich auf die Suche nach seinen verschollenen Komplizen zu machen.
Es dauerte ein wenig, bis der verpeilte Gott sie in der Bibliothek fand.
"Guten Morgen", brummte er und setzte sich schlapp hin.

"Morgen", erwiderte Elin und betrachtete ihn mit schief gelegtem Kopf. Er sah gelinde gesagt scheiße aus. "Gehts dir gut?"

Lucia wurde aus Livedin ehrlich gesagt nicht wirklich schlau. Dass er ein Gott und demzufolge mächtig war, hatte er ihnen ja schon recht eindrucksvoll demonstriert. Doch mit den ehrerbietungswürdigen Geschöpfen die man in Tempeln antraf, hatte er nicht viel gemein. Zumindest auf Formalitäten schien er nicht so viel Wert zu legen. Jedenfalls wirkte er an diesem Morgen nicht anders als eine x-beliebige Schlafmütze, wie es sie auch bei ihr zu Hause im Dorf gegeben hatte.
"Guten Morgen", begrüßte sie ihn unsicher. "Habt Ih...hast du gut geschlafen?"

"Nicht so gut wie Zuhause. Aber ich habe geschlafen...", meinte er und fuhr sich durch die haare.
"Und ihr? Fleissig am lernen?"

"Das glaub ich gern", erwiderte Elin.
Bei dem Gedanken, dass sie jeden Moment auffliegen konnte, konnte sie auch nicht so gut schlafen.
"Total", meinte sie auf seine Frage.

Zirkon wirkte gleich recht reserviert, als Livedin auftauchte und stellte sich wieder gerade hin. 
"Ich sollte wohl auch wieder an meine Arbeit gehen", sagte er mit einem Räuspern und wollte schon gehen, ehe er doch kurz zögerte und sich wieder zu ihnen umkehrte. 
"Dieses Buch da, dass ihr gerade auf dem Tisch habt.. Benötigte ihr dies noch, oder kann ich es für die Studien mitnehmen?"

"Ja", erwiderte Elin sofort, als ihr einfiel, das es darin ein Bild von Livedin gab. Schnell griff sie danach und drückte es an sich. "Ich brauche es."

Lucia kam die ganze Situation ein wenig spanisch vor und fügte erklärend hinzu:
"Meister Arendt hat uns gebeten, einen Aufsatz über die Historie von Kulten und Mythen zu schreiben", erklärte sie. "Er legt Wert auf Details, deswegen brauchen wir es leider noch. Aber ich schätze, spätestens übermorgen sind wir fertig, dann könnt Ihr es Euch abholen, Herr Tantal."

Zirkon hob unglaublich kritisch die roten Augenbrauen, ehe er jedoch nickte und sich erneut abwandte.
"Gut, dann werde ich es übermorgen hier abholen. Vielen Dank, die Damen."

Lucia sah dem Magier einen Moment nach. Als sie sich sicher war, dass er außer Hörweite war, wandte sie sich wieder an ihre Begleiter:
"Eine...kuriose Gestalt. Nun, Herr Livedin, wir haben zwar einiges gelernt in den letzten Tagen, aber nichts, was uns spontan weiterhelfen würde. In dem Buch standen einige Dinge über Halbgötter, doch nicht unbedingt, wie man sie erkennt."

"Klar. Halbgötter haben ja keine Schilder umhängen ....", gähnte er und streckte sich.
2Was stand denn da so?"

"Nichts was uns weiter bringt", murmelte Elin und sah Zirkon hinterher. Sie konnte den Typ nicht leiden. Aber sie mussten hier ja jetzt mal irgendwie zu potte kommen. Sie musste weiter kommen.

Vorsichtig nahm Lucia Elin das Buch aus der Hand und blätterte ein wenig darin.
"Im Wesentlichen steht hier, wie Halbgötter entstehen, was für Kräfte ihnen innewohnen und welche die berühmtesten sind", erklärte sie. "Aber egal wie sehr wir sie vergleichen, die einzige Gemeinsamkeit scheint zu sein, dass sie göttliches und sterbliches Blut haben. Ansonsten gibt es kaum Überschneidungen. Weder bei ihrem Äußeren, noch bei ihren Kräften."
Sie seufzte vernehmlich.
"Und wir können wohl kaum jede Person, die wir finden aufschneiden und überprüfen, ob ihr Blut göttlich..."
Lucia hielt kurz inne und dachte nach.
"Unterscheidet sich das Blut eines Gottes irgendwie von dem eines Sterblichen?"

Diese Frage würde wohl nicht so bald beantwortet werden, denn auf einmal und ohne Vorwarnung erklang ein lauter Knall irgendwo in den Gemäuern unter ihnen, gefolgt von einem Beben, dass der Tisch zitterte und an einigen Orten ein sonst schon unpraktisch platziertes Buch aus dem Regal fiel. Nur kurz darauf spritzte es lauter kleine Wassertropfen von der Decke in die Bibliothek in einem Tempo, dass ein Platzregen dagegen ein Lacher war. Es ging nicht lange, bis der alte und ungewöhnlich taube Bibliothekenmeister am Eingang der Halle vom Wasser aus seinem Nickerchen geweckt wurde, wie ein lauter und entsetzter Schrei verkündete.
"Wasser! Wasser überall! Verdammter Sicherheitsmonteur, hat wieder die falschen Zimmer belegt! Die Bücher! Die Büüücher!", schrie der Magier und es platschte laut, als er durch das sich am Boden ansammelnde Wasser eilte, um die Quelle des Sicherheitszaubers zu finden und auszustellen. Auch die anderen Leute in der Bibliothek waren überhaupt nicht begeistert über die unfreiwillige Dusche.

Leicht genervt pustete Elin sich eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht, was nicht so ganz funktionieren wollte. Na, das hatte sie jetzt natürlich gebrauchen können. Nichts desto trotz begann sie die nassen Bücher aus dem Wasser zu fischen.

Der Knall hatte Lucia ziemlich unsanft aus ihren Gedankengängen gerissen. Als es auf einmal in der Bibliothek begann zu regnen, stöhnte sie schockiert auf. Sie zog ihre Kapuze hoch, nachdem sie sich vom Ausgangsschock erholt hatte.
Ihr erster Gedanke war, das Wasser wenigstens so umzuleiten, dass Elin und sie trocken blieben. Auf die entsetzten Rufe des Bibliothekars aber erkannte sie seufzend dass sie sich wohl erst mal um die Bücher kümmern sollten.
Vorsichtig konzentrierte sie sich auf die Regentropfen über einem Regal und leitete sie zu dessen Seiten um, in der Hoffnung, dass es dann trocken blieb. Auf die Weise würden die Bücher wohl erst mal trocken bleiben.
Allerdings war es gar nicht so leicht, die immer währende Flut abzuhalten.
"Ähm...Herr Livedin?", fragte sie den Halbgott. "Woher kommt eigentlich das ganze Wasser?"

"Ach, das ist ein Feuerschutzzauber", sagte Livedin, der dastand wie ein begossener Pudel und irgendwie nicht so ganz göttlich wirkte im Moment.
"Verheerend, soetwas in einer Bibliothek einzurichten... Wirklich. Welcher Dummkopf hat sich das ausgedacht?"

Das fragt sich Elin allerdings auch. "Geht so was nicht auch trockener?", grummelte sie mürrisch und überlegte, wie diese Bücher noch zu retten waren. Wenn sie doch nur wirklich Feuermagie beherrschen würde, könnte sie sie vielleicht trocknen. Oder sie würden alle in Flammen aufgehen

Auch an anderen Orten versuchten die Schüler teilweise die Bücher, teilweise aber auch hauptsächlich sich selbst vor dem Wasser zu retten, welches ihnen schon bis zu den Knöcheln reichte. Am hinteren Ende der Halle hörte man den Bibliotheksaufseher laut und schrill fluchen, wie der angebliche Sicherheitsmonteur doch eigentlich mehr Amateur denn Monteur sei und wieso der unbedingt eine Kindersicherung in den Schutz-Wasserkristall hatte einbauen müssen. Er war anscheinend nicht das grösste Talent in der Magiergilde.