RPG: Lex Animae

Ruut überlegte erst zu fragen - vielleicht scherzeshalber - ob ihr Vater mit Iivari verwandt war, ließ es aber bleiben. An ihrer Stimmlage hatte sie erkannt, dass das nicht ihr liebstes Thema war, vor allem ihr Vater nicht.
"Du hast einen Bruder, das ist interessant", sagte sie. "Ich bin Einzelkind. Weißt du, ob Jin Geschwister hat?" Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass er keine Geschwister hatte, weil... Sie wusste es nicht. Wahrscheinlich Vorurteile den Eingeborenen gegenüber.

"Hmmm, gute Frage", gab Mistral zurück, dankbar über den Themenwechsel. "Er hat zumindest noch nichts von irgendwelchen Geschwistern erzählt. Er redet allgemein nicht viel über seine Heimat."
Nachdenklich tippte sie sich an die Wange.
"Würde mich aber ehrlich gesagt wundern, wenn sie kommen würden. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist er der einzige Urein...Ihmisielu, den die Akademie betreut. Seine Leute leben wohl ziemlich weit weg. Ich hoffe, er fühlt sich wohl auf dem Ball."

"Oh, ja, das hoff ich auch", meinte sie. "Und ich bin gespannt, was er anhaben wird - ich hab's ja leider nicht noch einmal sehen können." Sie kicherte. "Bei seiner Statur sieht es sicherlich gut aus."
Dann dachte sie weiter über das Geschwister-Ding nach. "Teluuka hat sicherlich Geschwister, es würde zu ihm passen. Und Meister Kurjaukka ist ein vernachlässigtes Einzelkind."

"Wie überaus beruhigend. Es gibt nur einen von der Sorte", schmunzelte Mistral. "Aber es stimmt wohl, wer so fröhlich ist, muss viele Geschwister gehabt haben. Und sehr viel Zuneigung."
Sie dachte an Zephyr, der eigentlich immer ein sonniges Gemüt hatte. Kein Wunder, wenn man bedachte, wie Mutter und sie ihn immer verhätschelt hatten. Aber man konnte einfach nicht anders. Ein Blick reichte und man wollte ihm nichts mehr böses.
"Wie sind deine Eltern eigentlich so? Haben sie viel Zeit mit dir verbracht?"

"Was du nicht sagst", behauptete sie. "Und nein, ich hab meine Eltern kaum gesehen, ich hatte mein Kindermädchen. Aber mein Kindermädchen war großartig, auch wenn sie ausgesprochen dick war. Aber das gehört sich so. Irgendwie. Klassische Kindermädchen sind dick. Meine Eltern sind... Na ja, reich und wichtig, ich denke, das sagt alles."

"Tatsächlich?", erkundigte sich Mistral, auch wenn sie das nicht wirklich überraschte. Ruut war im Grunde genau, was man sich unter einem reichen Töchterchen vorstellte. Andererseits...traf das wohl auch auf sie zu. Und doch hatten sie sich irgendwie anders entwickelt. "Nunja, unser Vater war meistens beschäftigt, aber unsere Mutter hat immer viel Zeit mit uns verbracht. Mit Zephyr und mir."
Als sie sich schließlich halbwegs einig waren, dass sie jetzt genau perfekt so aussahen - oder zumindest so perfekt wie es geht - entschlossen sie sich, den Weg zu dem großen Festsaal anzutreten. Ob Jin schon dort war?

Jin hatte sich in der Tat bereits auf den Weg gemacht. Er hatte so eine Ahnung gehabt, dass es känger brauchen würde, diesen Anzug korrekt anzuziehen, deshalb hatte er in weiser Voraussicht früher angefangen sich einzukleiden. Nachdem schließlich alle Kleidungsstücke an der richtigen Stelle waren, hatte er sich auf den Weg zur großen Halle gemacht.
Er erkannte sie kaum wieder. In dem Licht der riesigen Kronleuchter erstrahlte sie hell und alles war reich dekoriert. Die Tische waren an die Seite gestellt worden, einige enthielten Tabletts mit kleineren Brötchen und ähnlichem. Das sollte er sich vielleicht zu Gemüte führen.
Es war schon erstaunlich voll und doch schienen noch nicht alle Gäste angekommen zu sein. Nachdenklich hielt er nach einem bekannten Gesicht Ausschau.

Ruut kicherte mittlerweile nicht mehr, grinste voll Vorfreude aber wie ein Honigkuchenpferd in sich hinein. 
Unten angekommen, war es nicht allzu schwer, Jin auszumachen. Sonderlich viele Ureinwohner gab es hier ja nicht. 
"Schau mal, da ist er", machte sie Mistral darauf aufmerksam. "Güte, sieht er im Anzug gut aus." 

Iivari schaute nicht unbedingt griesgrämiger drein als sonst immer, wenn auch nicht unbedingt freundlicher, mehr hatte es den Anschein, als würde er mit den Blicken ein großes Monster erwarten, dass hinter irgendeiner Ecke auflauerte, um ihn aufzufressen. Eigentlich wollte er raus, doch er hatte eine Schere-Stein-Papier-Runde gegen Alma verloren, die ihn zwang, so lange zu bleiben, bis der Präsident seine Rede gehalten haben. 
Seine beiden ehemaligen Teamkameraden saßen mit ihm an einem dieser kleinen Tische am Rand und führten eine Diskussion darüber, was der Präsident wohl diesmal ansprechen würde. Iivari saß nur da, starrte ins Leere, mit etwas auf seinem Schoß, das auf den ersten Blick wie ein flauschiges, dickes rosa Kissen aussah, welches er wie in Trance kraulte. Das Kissen schnurrte.

Mistral folgte ihrem Blick und zog anerkennend eine Braue hoch. In der Tat, Jin sah durchaus nicht schlecht aus. Der Anzug war gut geschnitten und betonte seine kräftige Statur, ohne dass er zu kantig, oder gar grob wirkte. Der Anzug in der Farbe von Fell passte gut zu seiner Haut und ließ seine rauen, aber durchaus nicht unattraktiven Züge gut hervorkommen. Im Großen und Ganzen wirkte er in dieser Garderobe mehr wie ein Großwildjäger denn ein Urweinwohner. Mistral konnte sich aber ein Kichern nicht verkneifen als sie sah, dass Jin selbst ein Schnittchen anstarren konnte, als würde das Schicksal der Welt davon abhängen.
Jin seinerseits sah überrascht auf, als die Mädchen sich in ihren Kleidern näherten. Er zog die Brauen hoch und sein Blick glitt langsam an seinen Begleiterinnen herab.
"Ich habe euch fast nicht wiedererkannt", begrüßte er sie ehrlich.

Magie war schon eine verdammt nützliche Sache. Die Augenfarbe zu ändern war eine Sache, wenn nur die Iris war, doch wenn man einen komplett grünen Augapfel hatte, wurde die Sache schon schwieriger, mit einer Kontaktlinse war es da nicht getan. Doch im Moment war die Illusion perfekt. Sie wirkte wie eine ganz normale Frau mit smaragdfarbenen Augen. Sie korrigierte sich: Wie eine elegante Dame mit smaragdfarbenen Augen.
Natürlich hatte auch Himiko sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, um ihre Reize spielen zu lassen. Ihr Kleid, dominiert von schwarzer Farbe, mit strahlendem Goldgelb an den Rändern und den Säumen, war vom Schnitt an den Stil ihrer alten Heimat angelehnt, doch hatte es sich nicht nehmen lassen, es ein wenig an die gängige Mode der Inseln anpassen zu lassen. Traditionsbewusst mit der Zeit gehen, das war stets ihr Motto gewesen. Die Blicke, die man ihr zuwarf, bestätigten sie in ihrer Auffassung. All die Jahre und sie hatte ihren Glanz noch nicht verloren.
Umso mehr kam sie nicht drumrum es immer wieder zu bedauern, dass die Zeit an manchen Gestalten nicht ganz so spurlos vorbeiging. Das einzige, was der Mann mit der Katze im Schoß noch mit dem jungen Mann mit dem düsteren Gemüt gemein hatte, war der stechende, missbilligende Blick. Das und die einzigartige Haarfarbe. Offenbar hatte Himiko recht behalten; aus dem Knaben war durchaus ein nicht unattraktiver Mann geworden. Ob er sich auch in anderer Hinsicht weiterentwickelt hatte?
In eleganter Manier näherte sie sich dem Tisch und schlug vorsichtig den Fächer zusammen, den sie bis eben gehalten hatte.
"Ich wünsche guten Abend, meine Verehrtesten", begrüßte sie die drei am Tisch sitzenden Magier. "Verzeiht, sollte ich Euch belästigen, doch komme ich noch rechtzeitig zur Rede des Präsidenten?"

"Wir dich auch nicht", sprach Ruut kichernd für sie beide. Er sah besser aus, als sie es sich vorgestellt hatte, zugegebenermaßen. Und da hatte sie schon ein gutes Bild im Kopf gehabt. "Der Anzug steht dir fabelhaft, Jin!" Erneut schwang blanke Begeisterung in ihrer Stimme. 

Iivari erstarrte für einen Moment, dann verkrampfte er sie Hände im Fell des Kissens und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich noch ein Stück. Seine Gedanken schweiften von einem "Nicht die Fassung verlieren" zu einem "Das ist nicht real" hin zu "Bitte, bitte nicht". 
"Iivari, Ihr zerd'ückt misch", fauchte das Kissen leise und Iivari musste sich anstrengen, wieder etwas lockerer zu lassen. 
"Ach nein, Ihr belästigt uns nicht", nahm Alma ihren Kollegen mit einem freundlichen Lächeln das Antworten ab. "Die Rede des Präsidenten wird in etwa einer Viertelstunde gehalten, dann ist das alles hier eröffnet."

"Findet ihr?", erkundigte er sich und sah prüfend an sich herunter. "Ich für meinen Teil komme mir ein wenig...fremd vor. Diese Kleidung ist...anders als alles, was ich bisher getragen habe. Im Laden fand ich jemandem, der mir bei der Suche nach einem passenden Gewand half. Ich war sehr froh darum."
"Das glaub ich dir gern", kicherte Mistral. "Ich hatte mir schon beinahe Sorgen gemacht, dich in dem Laden allein herumlaufen zu lassen. Aber er hat dich gut beraten, der Anzug steht dir hervorragend."
"Er sitzt jedenfalls sehr eng an", stellte Jin fest und sah sich um. "Seht ihr hier ein Gesicht, dass euch bekannt vorkommt? Ich hörte, an diesem Abend treffen sich die Oberhäupter der Inseln. Gibt es jemanden, den ich kennen sollte?"

Amüsiert stellte Himiko fest, dass Iivari sich nicht so sehr verändert hatte, wie sie geglaubt hatte. Er verlor immer noch jegliche Fassung, wenn sie in seine Nähe kam.
"Ah, das freut mich zu hören", sagte sie, Iivaris Reaktion scheinbar nicht beachtend. "Meine Anreise zur Akademie war lang und ich fürchtete, nicht mehr rechtzeitig erscheinen zu können. Verzeiht, ich bin etwas erschöpft, gestattet Ihr, dass ich mich zu Euch geselle?"

"Hm, eigentlich nicht", überlegte Ruut. "Na ja, den Präsidenten solltest du dann kennen, der wird nachher die Eröffnungsrede halten. Aber du bist ja Schüler der Akademie, kein Politiker, von daher ist es egal." Sie sah sich einen Moment um. "Aber ich hab auch noch niemanden gesehen, den ich kenne. Noch nicht einmal unser Buschwindröschen." 
Sie fragte sich, was sie machen sollten, wenn sie eines Tages alle weißen Blumen durch hatten. Wie sollten sie Iivari dann nennen?

"Aber selbstverständlich, setzt Euch", bot Alma der Frau freundlich an und wies auf einen weiteren gepolsterten Stuhl. 
Iivari hingegen stand auf. "Verzeiht", sagte er und seiner Stimme war seine innerliche Unruhe nicht anzuhören, sie klang so abwertend und distanziert wie immer. "Aber ich werde mich nach meinen Schülern umsehen." Daraufhin war er mitsam rosa Flausch im Arm verschwunden. 
Alma seufzte. 
"Du wirst ihn heut Abend nicht wieder sehen", meinte Rasmus nur unbeteiligt, während seine Kameradin ihm unterm Tisch Geld zuschob. Sie hatte schließlich eine Wette verloren.

Mistral würde unter solche Umständen wahrscheinlich wieder anfangen, Iivari nach diversen Gebäckstücken zu benennen, und wenn sie die auch alle durch hatten, würde sie einfach wieder auf "Mistkerl" umschwenken.
"Nun, ich habe ihn noch nicht...", setzte Jin an, bevor seine Augen tatsächlich besagte Person fanden. "Dort ist er. Er geht gerade zum Balkon hinaus. Vielleicht mag er keine Menschenmassen."
"Oder sie mögen ihn nicht", gab Mistral zu bedenken.

Himiko gab der Aufforderung mit einem dankbaren Lächeln nach.
"Verzeiht mir meine, Neugierde, doch Euer Kollege erwähnte gerade seine...Schüler. Seid Ihr Lehrer an dieser Akademie?"
Eigentlich wusste sie die Antwort, doch sie hatte sich schon so lange keine zwanglose mehr Unterhaltung geführt.

"Er sieht irgendwie ungesünder aus als sonst", bemerkte Ruut etwas abwesend, weil sie sich eigentlich nicht weiter mit ihm beschäftigen wollte. "Wir sollten uns einen kleinen Tisch suchen, es dauert nicht mehr lange, bis der Präsident seine Rede hält." 

Rasmus schaltete ab und schaute mit leerem Blick durch die Runde, auch wenn er gedanklich über Leute lästerte. 
Alma hingegen nickte eifrig. "Oh, ja, das sind wir", erzählte sie. "Zumindest teilweise, ich bin als Lehrer eingesetzt, Herr Kurjaukka mehr als Meister und er hier", sie nickte Rasmus zu, "macht derzeit nur Einzelaufträge."

"Bin ja schrecklich gespannt", kommentierte Mistral ironisch, trotzdem half sie dabei, einen Tisch zu finden, an dem sie alle Platz nahmen. Jin ließ es sich nicht nehmen, eines der Schnittchen mitzunehmen und vorsichtig einen Bissen zu nehmen.

"So ist das also?", erkundigte sich Himiko. "Klingt als würde es in der Akademie nicht an Arbeit mangeln. Aber angesichts der Lage ist das wohl nicht weiter verwunderlich. Ich muss sagen, ich bewundere Euch für Eure Arbeit. Jungen Leuten beizubringen, eines Tages die Aufgaben ihrer Meister zu übernehmen, erfordert einiges an Schneid."

An den Plätzen angekommen, war Ruut nicht in der Lage, sich ruhig hinzusetzen, musste sich aber zusammen reißen. In einem solchen Kleid war es nicht gut, komische Bewegungen zu machen. 

"Hm", überlegte Alma. "Darüber hab ich noch nie nachgedacht. Aber da Ihr es so sagt..." Sie musterte sie wahrhaftig wunderschöne Frau einen Moment lang. "Weshalb seid Ihr hier? Vertretet Ihr eine Regierung, seid Ihr Begleitung, einfach nur so oder etwas anderes?" 

Aatu schritt gerade in die große Halle und sah vermutlich weiblicher aus als viele Frauen hier. Die Haare waren nun gelockt und zu kunstvollen Fingerwellen gelegt, in dem Kleid hatte er sogar eine feminine Statur und Schminke stand ihm ausgezeichnet. Niemand würde vermuten, dass er ein Kerl war. 
Faapa hatte er eingebläut, heute einen anderen Namen zu verwenden. Würde schon glatt laufen.

Vorsichtig kaute Jin auf dem Rest des Schnittchens herum. Überhaupt nicht übel, nur ein bisschen wenig. Andererseits konnte durch die kleine Portion wohl jeder mal probieren. Und gleichzeitig füllte es den Magen nicht so sehr, dass man die anderen Sachen nicht auch noch ausprobieren konnte. Wenn man so darüber nachdachte, war es eigentlich ziemlich genial.
Er zog die Brauen hoch als sein Blick auf eine recht eindeutig weibliche Gestalt fiel. Einen Moment glaubte er, der junge Mann, der ihm geholfen hatte, hätte sich ein Kleid angezogen, aber das war schlicht lächerlich.
"Verzeiht", rief er der Frau vorsichtig zu, als sie in der Nähe war. Er erhob sich von seinem Stuhl, schließlich sprach er gerade eine Fremde an. "Seid Ihr die Schwester von Aatu?"

Himikos Blick schweifte nachdenklich in die Ferne, bevor sich ein mysteriöses Lächeln auf ihre Lippen legte.
"Es sind keine politischen Gründe, die mich an diesen Ort bringen", antwortete sie. "Worum ich auch froh bin. Derartige Beweggründe sorgen oft für Anspannung und verderben die ganze Reise. Mit diesem Archipel verbindet mich jedoch so einiges. Aber ich fürchte, das ist eine längere Geschichte."
Ihr Blick schweifte über die bereits erschienenen Gäste.
"Zudem hoffe ich, einem alten Freund wieder zu begegnen. Ich hoffe, ich erkenne ihn, wenn ich ihn sehe. Es ist lange her und er muss sich sehr verändert haben."

Aatu musterte Jin, den jungen Mann aus dem Laden, und lächelte. Jetzt, mit dem Anzug in der richtigen Größe, sah er noch um Längen besser aus. 
"Ihr kennt meinen Bruder?", erkundigte er sich dank Faapa in einer weiblicheren Stimme und klang dabei sogar überrascht. 

"Das könnt Ihr laut sagen", seufzte Alma, musterte die Fremde dann aber mit wachsendem Interesse. Eine sonderbare Frau, aber das machte sie wahrscheinlich so faszinierend. "Wie habt Ihr ihn denn in Erinnerung?", erkundigte sie sich. "Möglicherweise können wir Ihnen helfen."
Rasmus sah einen Moment lang ausgesprochen leidend drein, als er bemerkte, dass Alma von "wir" und nicht von "ich" geredet hatte.

"Kennen ist zu viel gesagt", sinnierte Jin. "Ich begegnete ihm in einem Kleidergeschäft in der Innenstadt. Er bot mir an, mir bei der Wahl eines Anzugs behilflich zu sein. Mit seiner Hilfe habe ich mich für diesen hier entschieden."
"Euer Bruder scheint etwas von Kleidung zu verstehen", bemerkte Mistral. "Achja, Jin, willst du dich nicht erstmal vorstellen?"
Das Gesicht des Ureinwohners erhellte sich.
"Ah, verzeiht. Ich bin Jin'do Pikkusu Huojokira Lötyi. Dies sind Mistral Tuulika und Ruut Rivakuu. Und Ihr seid?"

Himiko stützte ihr Kinn auf der Spitze ihres Fächers ab, während ihre Augen in weite Ferne glitten. Was um sie präsent war, konnte sie erstaunlich gut sehen. Doch der Blick in die Vergangenheit fiel ihr beiweilen so schwer wie den Menschen.
"Lasst mich nachdenken", überlegte sie. "Als ich ihn kennenlernte war er noch ein Jugendlicher, einige Jahre von der Volljährigkeit entfernt. Trotzdem hatten seine Augen ein bedrohliches Stechen. Ihr wisst, dieses düstere Funkeln das wirkt, als wolle man verzweifelt versuchen, etwas zu verdrängen. Verschroben hätten ihn viele wohl genannt, denn er war nicht sehr umgänglich. Nur wenige Menschen ließ er an sich ran und noch weniger hatte er jemals seine Freunde genannt." Sie seufzte melancholisch. "Und doch - oder vielleicht sogar deswegen - konnte ich nicht anders, als mich um ihn zu sorgen. Die Gelegenheit, ihn wieder zu sehen, konnte ich mir nicht entgehen lassen."

Aatu nickte anerkennend. "Freut mich, euch alle drei kennen zu lernen." Hatte sich seine Vermutung also bestätigt und es waren wirklich die Schüler von Iivari. Was für ein Zufall, er hatte nicht einmal nach ihnen gesucht und sie einfach so ohne irgendwelche bösartigen oder hinterlistigen Vorahnungen getroffen. Manchmal hielt er das Schicksal für genial. 
"Mein Name ist Anna Yksinäisyys und ja, das mit der Kleidung passt zu ihm." Er kicherte. Beziehungsweise tat das der Dämon. 

Alma lachte. "Könnte fast auf Iivari zutreffen." Sie hielt das tatsächlich für lustig und es war als Scherz gemeint, nicht so, dass sie wirklich der Ansicht war, denn das Iivari diese Frau kannte, hielt sie für völlig absurd - im ersten Moment zumindest, denn dann fiel ihr ein, dass ihr Kollege fluchtartig den Tisch verlassen hatte. 
"Den würde aber keiner wiedersehen wollen", murrte Rasmus.

Überraschend blinzelnd fasste Jin den Vogel ins Auge.
"Entschuldigt, ist das Faapa? Teilen Euer Bruder und Ihr Euch Euren Dämon?"

Himiko zog eine Braue hoch und blickte über die Schulter.
"Ihr sprecht von dem Herren mit den weißen Haaren?", erkundigte sie sich. "So wie Ihr von ihm sprecht, klingt es fast als würdet ihr im Streit miteinander liegen."

"Taara ist nicht Faapa, werter Herr", plusterte sich der Dämon auf, auch er sprach in einer etwas anderen Stimme. 
Aatu lachte lautlos, diesmal lachte sein Dämon nicht für ihn, aber er sprach dann. "Oh nein, aber unsere Dämonen sind sich ebenso ähnlich wie wir uns." 

"Wir haben keinen Streit", sagte Rasmus und es klang beinahe beiläufig. "Er ist ein Arsch." 
Alma lächelte etwas gezwungen. "Er ist kompliziert."

Jin runzelte die Stirn und fuhr sich übers Kinn.
"Euer Bruder bat mich, Euch von ihm zu grüßen", sprach er schließlich. "Konnte er nicht kommen?"

Himiko hob beide Augen hoch ob der Bemerkung.
"Tatsächlich?" Sie schlug ihren Fächer auf und wedelte sich etwas Luft zu. "Nun, er machte zumindest einen recht...einzigartigen Eindruck auf mich. Doch bei aller...Komplexität, die Ihr im nachsagt, kann man es ihm durchaus hoch anrechnen, dass er sich um seine Schützlinge sorgt, nicht wahr?"

Aatu schmunzelte. "Mein Bruder ist ein Streuner", sagte er, es machte ihm Spaß. "Ich habe ihn bereits seit Jahren nicht gesehen, aber gelegentlich kommen Leute auf mich zu und richten mir schöne Grüße von ihm aus, das erhellt mir jedes Mal den Tag." 

Alma wollte etwas sagen, aber Rasmus war schneller. "Nehmen Sie es nicht persönlich, aber das hat er nur gesagt, um so schnell wie möglich hier weg zu kommen."

"Nun, solange er seine Familie ehrt", meinte Jin schulterzuckend. "Darf ich fragen, was Euch heute abend hierher führt?"
Mistral beugte sich zu Ruut herüber und flüsterte mit gesenkter Stimme: "Hatte schon Angst, Jin würde sich hier nicht wohl fühlen. Aber siehe da, er ist keine halbe Stunde hier, schon unterhält er sich mit einer jungen Dame."

Himiko zog Luft ein und hob in Schrecken den Fächer vors Gesicht.
"Sie wollen doch nicht etwa sagen", sprach sie ungläubig, "meine Präsenz könnte ihn irgendwie verschreckt haben?"

Ruut kicherte amüsiert. "Wer hätte es gedacht...?" 
Aatu hingegen lächelte weiterhin Jin an. Schnuckelig. "Oh, ich begleite den Vorsitzenden von Mirskiya auf diese Veranstaltung, allerdings meinte er, er hätte Geschäftliches mit einem Politiker aus dem Norden zu klären und hat sich kurz verabschiedet... Ich frage mich, wo er jetzt steckt. Ihr seid Schüler hier, nehme ich an?" 


Die rosa Katze sprang auf Rasmus' Schoß und maunzte ihm leise etwas zu, er musterte daraufhin ausgesprochen skeptisch die Fremde.
"Ich glaube kaum", sagte Alma, war sich aber selbst nicht wirklich sicher. "Er ist bei Veranstaltungen immer ausgesprochen angespannt, außerdem meidet er den Kontakt mit Menschen, die er nicht kennt."